Wladimir Kaminer

Ich wurde von deutschem Kulturfernsehen eingeladen, eine Dokumentation zum Thema „Wie isst Deutschland“ zu drehen. Anfangs hatte ich Zweifel, ob die deutschen Menüs wirklich so viel Stoff für einen spannenden Filmabend hergeben würden. Natürlich sind die Menschen überall auf der Welt neugierig und versuchen auf alles zu beißen. Wenn sie auf etwas Unbekanntes stoßen, schauen sie als Erstes, ob es schmeckt. Und was wir nicht zerkauen, schlucken wir einfach wie eine Auster runter und Tschüss. Die Gastronomie ist noch mehr als die Bekleidungsbranche für alle möglichen Moden anfällig, mal werden Insekte als gesunde Lebensmittel zugelassen, mal suchen junge Köche nach einem perfekten Fleischersatz aus Sojagranulat. Irgendwelche ganz besonders liebenswürdige Kassler Tiere werden in Brandenburg gezüchtet, ebenso  freilaufende Chicken Wings. Auch mangelt es hierzulande nicht an exotischen Erfindungen der dekadenten Küchenchefs. In den noblen Restaurants sind gepökelte Nachtigal-Zungen und Rogensalat von fliegenden Fischen keine Überraschung mehr. Doch eigentlich steht die deutsche Küche seit eh und je auf zwei stabilen Säulen: Wurst und Bier. Und daran ist nicht zu rütteln.

Das Bier wird in Deutschland überall gebraut und trotz des Reinheitsgebots gibt es hier mehr als 5000 Biersorten. Gerade im Süden, in dem bekannten Königreich, dessen Flagge auf etlichen Bierflaschen zu sehen ist, habe ich mich schon oft im Biersortenwald verlaufen und die Orientierung verloren. Wer kann schon den Unterschied zwischen einem Weißbier, das gar nicht weiß ist und trübes Weizenbier nachvollziehen? Und die Wurst wird hier in Deutschland wirklich in jeder Stadt anders gemacht, kurz und lang, dick und dünn, das wird ein Wurstfilm sein, so dachte ich.

Doch die deutsche Küche hat mich gleich am ersten Drehtag überrascht. Wir fingen im Norden an. Dort im Oldenburgischen laufen die Menschen seit Oktober mit ihren Bollerwagen voller Schnaps durch die Gegend, um Appetit für ihre Kohl-und-Pinkel-Sause zu bekommen. Es werden angeblich nur diejenigen zu Tisch gebeten, die mit einem leeren Wagen vom Feld zurückkommen.

Ich durfte dem Koch beim Zerkochen von etwa 60 Kilo Grünkohl helfen, wir hatten immerhin 250 Gäste erwartet und fast alle haben die Gaststätte gefunden. Nur einige wenige haben es nicht geschafft, sie waren mit ihrem Bollerwagen auf der Landstrasse stehen geblieben. Der Grünkohl, so erklärte mir der Koch darf nicht zu schlotzig sein, aber doch schlotzig genug. nach dem Geheimrezept der Gaststätte. Ich wusste nicht, was schlotzig ist, ich war mir auch nicht sicher wie das Wort wirklich klingt, vielleicht hatte der Koch scholzig oder schnolzig gesagt, aber ich gab mir Mühe. Am Ende waren alle glücklich, es war anscheinend schlotzig genug. Oder scholzig.


Die Kreuzfahrer

Ein Kreuzfahrtschiff ist eine ganz eigene Welt. Der Reisende betritt eine schwimmende Oase des Glücks mit Bar, Tanzabenden und dem reibungslosen Übergang von einer Mahlzeit zur nächsten. Und natürlich mit jeder Menge neuer Bekanntschaften. Aber auch an Land gibt es viel zu entdecken: von Putin-Schokolade in St. Petersburg, über falsche Götter auf der Akropolis bis zu verrückten karibischen Taxifahrern. Und wer könnte schöner davon erzählen als Wladimir Kaminer, Kreuzfahrer aus Leidenschaft? 

Taschenbuch | 224 Seiten | Januar 2020 | ISBN: 978-3-442-48980-0

Armee
13:15
Bahnhof Lichtenberg
5:50
Berlin
3:25
Berliner Aberglaube
3:27
Berliner Dialekt
4:32
Blut auf der Schönhauser Allee
4:31
Boney M
4:53
Boom, Baby Boom
5:10
Bücher aus dem Container
5:11
Chartuscho
7:31
Das Leben ist Bewegung
4:41
Das syreralistische Komitee zur Rettung der Welt
8:29
Dein Schatz, mein Schatz
3:44
Der Enkel des Partisanen
7:49
Der Fahneneid
9:03
Der Flaschenfisch
4:35
Der Kremlweihnachtsmann
7:26
Der Kühlschrank meiner Schwiegermutter
7:55
Der Russe lacht nicht
10:25
Der siebte Tibeter
4:29
Der Sinn des Eisfisches
7:40
Der Traumfänger
7:40
Dicke Sterne
13:36
Die Cottbuser Zukunft
6:51
Die Gender-Theorie und ihre Präsenz im Alltag
14:22
Die Helden des vorigen Jahrhunderts
7:48
Die Karottendiät
6:02
Die Läuse der Freiheit
5:56
Die Sprachkompetenz
5:04
Die Syrer packen aus
6:11
Die Telebrücke
5:42
Die Wassermelonenzeit
5:32
Döndü
4:03
Echte Russen
5:48
Ein Haus am See
9:01
Eintausend Chinesen
6:25
Epilog
2:37
Europas besserer Teil
21:01
Gagarin
4:34
Geologen
8:30
Gespräche über die Ewigkeit
4:10
Hölderlin und Hoffmann
9:15
Ich bin kein Berliner
8:06
Kafka, Konsalik und ich
4:32
Karl Friedrich
5:30
Kleine Schnecke
8:14
Kottbusser Lamm
8:23
Krim
11:37
LaGeSo
6:14
Lass uns Rennen, lass uns Reiten
14:00
Meine Frau und der Marder
9:00
Menschenrechte
3:39
Nachwort
2:36
Neue Heimat
9:35
Pheromone
4:33
Projektwoche Flüchtlingshilfe
7:12
Quittenschnaps Weikersheim
8:31
Schlechte Vorbilder
6:34
Schöne Frau, alles gut
7:22
Schröders Ruh
6:53
Schwiegermutter
4:55
Syrer in der Traumfabrik
13:58
Tolstois Bart
5:08
Tschechows Schuhe
9:29
Unbekannte fliegende Objekte
5:27
Unerwarteter Besuch
8:17
Väter und Söhne
8:36
Vegetarier an der Bushaltestelle
10:29
Verfehltes Paris
9:36
Weinanbau im Nordkaukasus
4:36
Wettbewerb
7:11